Santo Domingo - Dominikanische Republik 02/15/1493
Christoph Kolumbus verfaßt einen Brief an seinen Gönner Fuis de Santangel auf der Rückkehr von seiner ersten Entdeckungsreise, auf der er die Dominikanische Republik entdeckte.
"Alle diese Inseln sind von erstaunlicher Fruchtbarkeit; doch gilt dieses in ganz besonderer Weise von letzterer Insel (D.h. Hispaniola, die er die "Spanische Insel", Espanola, nennt). An ihrer Küste öffnen sich zahlreiche Häfen, die in Europa schwer ihresgleichen finden; viele große Flüsse münden hier ins Meer. Das Land ist hoch gelegen und wird von zahlreichen Gebirgsketten mit bedeutenden Erhebungen durchzogen, noch mehr als dies auf der Insel Teneriffa der Fall ist. Alle diese Berge sind äußerst vielgestaltig und begehbar, von verschiedenerlei Bäumen besetzt und von solch erstaunlicher Höhe, daß sie den Himmel zu berühren scheinen. Meines Erachtens verlieren diese Bäume niemals ihren Blätterschmuck; sie waren so schön leuchtend wie die Bäume in der spanischen Heimat im Monat Mai. Einige von ihnen blühten, während andere fruchtbeladen waren. Dazwischen vernahm man den Sang von Nachtigallen und zahlreicher anderer Vögel, in jenem Monat November, da ich mich dort befand. Es gibt dort sechs oder acht verschiedene Arten von Palmen, deren wundersame Mannigfaltigkeit erstaunlich ist. Überdies sieht man außergewöhnlich viele Pinien, weite bepflanzte Ländereien und zahllose Vogelarten. Auch Honig und die verschiedensten Fruchtarten findet man dort. Das Innere des Landes ist stark besiedelt und reich an Erzgruben.(...)
Die Bewohner dieser Insel sind (...) ohne Unterschied des Geschlechts vollkommen nackt, wie Gott sie erschaffen: Einige Frauen bedecken einen einzigen Körperteil mit einem Blatt oder einem Wollappen, den sie zu diesem Zweck selbst verfertigen. Sie kennen weder Eisen noch Stahl, besitzen keine Waffen, mit denen sie umzugehen wüssten, nicht etwa deshalb, weil ihnen an körperlicher Kraft gebrechen würde, sondern weil sie von Natur aus äußerst furchtsam sind. Als Waffe benützen sie nur jene Rohre, denen sie an ihrer Spitze ein kurzes, scharf zugespitztes Stück Holz anfügen. In Wirklichkeit setzen sie sich nicht einmal mit diesen Speeren zur Wehr, da es sich oft ereignet hat, daß ich zwei oder drei meiner Leute nach irgendeiner Siedlung geschickt hatte, um mit den Eingeborenen in Fühlung zu treten, die dort in großer Zahl versammelt waren, und diese, als sie meine Leute herankommen sahen, eiligst die Flucht ergriffen. Dies taten sie nicht etwa, weil man einem von ihnen Leid zugefügt hätte. Im Gegenteil, wo ich mit ihnen in unmittelbare Berührung kam, schenkte ich ihnen, was ich gerade bei mir hatte, wie Stoffetzen und viele andere Kleinigkeiten, ohne dafür etwas zu verlangen. Sie sind eben von einer unheilbaren Feigheit!" |