Hamburg - Deutschland 04/28/1983
Die Illustrierte "STERN" behauptet, Hitlers Tagebücher entdeckt zu haben.
Der STERN-Journalist Gerd Heidemann erwirbt nach dreijährigen Recherchen die angeblichen "Hitler-Tagebücher" und bezahlt dafür laut STERN 9,3 Millionen Mark. Der damalige Chefredakteur Peter Koch meinte zu dem Fund, es sei "die größte journalistische Sensation der Nachkriegszeit".
Namhafte Historiker waren zunächst von der Echtheit überzeugt. Der Stern beginnt mit dem Abdruck des insgesamt 60 Kladden umfassenden Werkes und verkündet, "die Geschichte des dritten Reiches wird in großen Teilen neu geschrieben werden". Die Illustrierte berichtet, Hitler hat von Juni 1932 bis Mitte April 1945 über 60 Tagebücher, schwarz und mit einem Hakenkreuz versiegelt, geschrieben. Sie hätten zusammen mit anderen Unterlagen im April 1945 mit dem Flugzeug von Berlin nach Obersalzburg gebracht werden sollen. Eine der Maschinen stürzte aber dabei in der Nähe von Dresden ab. Die Spur über den Verbleib der Ladung verlief laut STERN über Augenzeugen des Absturzes.
Chefredakteur Peter Koch dazu: "An der Echtheit der Tagebücher kann nicht gezweifelt werden. ... Viel Feind, viel Ehr. ... Sie als Leser braucht das nicht zu stören. Die Tagebücher sind echt, unsere Beweise seriös und zahlreich!" Belegt worden seien sie durch "...renommierte Schriftsachverständige und Historiker".
Viele zweifeln aber an der Echtheit der Dokumente. Vermutungen, wer dahinter steckt gab es reichlich. So wurde z.B. der KGB von der französischen FIGARO als Urheber angenommen. Die Akademie der Wissenschaften in Moskau vermutete, das sei das Werk von Neonazis. George Young, ein britischer EX-Geheimdienstler sah den Ursprung ehr bei der ostdeutschen Stasi. Letzten Endes stand aber die Tatsache im Raum, daß die gesamte Literatur des dritten Reiches keinen einzigen Hinweis auf die Existenz der Tagebücher gab. Hitler habe jegliche handschriftlichen Eintragungen vermieden, denn durch die Parkinsonsche Krankheit habe er gezittert. Außerdem sei er durch das Attentat vom 20. Juli 1944 am rechten Arm verletzt worden, deshalb habe er seine Texte immer diktiert. Obendrein entsprächen die Texte nicht dem Stil Hitlers.
Nach Drängen der Öffentlichkeit läßt der STERN die Tagebücher von einer Expertengruppe des Koblenzer Bundesarchivs, des Bundeskriminalamts und der Bundesanstalt für Materialprüfung untersuchen. Diese gibt am 06.05.1983 bekannt, daß die verwendeten Materialien in den betreffenden Jahren noch nicht zur Verfügung standen. Substanzen im Papier waren vor 1955 nicht erhältlich. Ähnliches galt für die Ledereinbände, Tinte, Heftfäden und den Klebstoff. Außerdem sei das Siegel unecht, ein Initial verkehrt und die Schrift gefälscht. Inhaltlich und formal, so das Ergebnis der Expertise, handelt es sich eindeutig um eine Fälschung!
STERN Herausgeber Henri Nannen erklärt, er könne sich den Bedenken des Bundesarchivs nicht entziehen und gesteht ein "Wir haben Grund, uns vor unseren Lesern zu schämen für das, was passiert ist". Der Journalist Gerd Heidemann wird fristlos entlassen. Es dauert nicht lange bis Konrad Kujau von den "Stuttgarter Nachrichten" als Fälscher ausgemacht wird. Kujau alias Konrad Fischer gesteht das am 26.05.1983 ein und wird kurz darauf verhaftet. Gegenüber dem Spiegel meint er "Das ist keine Fälschung, das ist eine Gaudi". Den Kaufpreis von 9,3 Millionen Mark bestreitet er jedoch und behauptet, lediglich 2,7 Millionen Mark für die Kladden bekommen zu haben. Über die Differenz herrscht bis heute Unklarheit. Vermutungen gehen in Richtung Heidemann, da er für seine NS-Leidenschaft bekannt war und bereits 1973 sein Haus versetzte, um die Carin II, eine Yacht Hermann Görings, zu kaufen.
Das Gericht in Hamburg verurteilt den Journalist Gerd Heidemann zu vier Jahren und acht Monaten Freiheitsstrafe. Konrad Kujau erhält vier Jahre und sechs Monate Haft. Chefredakteur Koch verläßt mit einer Abfindung das Verlagshaus. |